10. Kapitel

Da es meine Absicht ist, dieses Büchlein für meine Enkel zu schreiben, die Cracauen nicht mehr erlebt haben, sei mir gestattet, auch ein kleines Kapitel über mich selbst einzuschalten.

Geboren am 1. Dezember 1898 im Hause Fegers, Uerdinger Straße 49, erlebte ich den Cracauer Garten vom Eingang an der Uerdinger Straße. Hier stand rechts vom Gartentor der im siebten Kapitel bereits erwähnte Catalpabaum und etwas weiter unter hohen Bäumen hatte ich meinen „Sandberg“ zum Spielen.

Im Alter von zweieinhalb Jahren sah ich so aus wie in dem nebenstehenden Bildchen, wozu noch zu sagen ist, dass der Hut und der Stock vom Fotografen gestellt wurden. Ich mache daher auch ein etwas unglückliches Gesicht, weil ich den Hut albern fand

Als Großmutter Louise Ende 1903 starb, zogen meine Eltern im Frühjahr 1904 nach Cracauen. Am 8. November 1903 bekam ich ein Brüderchen, Rudi, zu dessen Betreuung Hilda Zapp engagiert wurde, mit einem Monatsgehalt von 20 Mark!

Ostern 1905 kam ich zur Schule, in die Vorschulklasse des Realgymnasiums zu Herrn Lehrer Maerker, bei dem einst schon mein Vater Schönschreiben gelernt hatte. Ein Foto entstand damals im Cracauer Garten vor dem Treibhaus. Ich hatte einen „Kieler Matrosenanzug“ an, den meine Mutter selbst geschneidert hatte. Dazu gehörte eine steife Matrosenmütze und natürlich der Tornister.
Über die Erlebnisse in Cracauen schrieb ich bereits in Kapitel 6 "Spiele im Cracauer Garten", so dass ich die Zeit, in der ich die Schulbank drückte, überschlagen kann. Nach dem "Einjährigen" dass man jetzt "die mittlere Reife“ nennt, trat ich als Färberlehrling in die Firma Gebrüder Bröcking in der Leyentalstraße ein, wo ich bis Ostern 1916 blieb, um dann in der Preußischen Fachschule für Textilindustrie, Abteilungs Färbereischule, weiter zu studieren. Außerdem besuchte ich noch die kaufmännische Privatschule von L. Kläholt, um Stenographie, Schreibmaschine und Buchführung zu lernen.

Mitten aus diesem Studium wurde ich durch meine Einberufung zum Militär herausgerissen.

Am 1. Oktober 1916 kam ich mit einigen alten Schulfreunden nach Berlin, wo ich zusammen mit Walter Greven, Sohn des Buchhändlers Joh. Greven zur zweiten Ersatzkompanie des "Kaiser Franz" Gardegrenadier-Regiments Nr. 2 eingeteilt wurde. Die Ausbildungszeit war nicht allzu schwer. Nach 14 Tagen Kasernenlebens durften Walter Greven und ich in ein Privatquartier umziehen, zur Witwe Zipfel, Blücherstraße.

Meine Erlebnisse schilderte ich in meinen Kriegsbüchern "Kameradschaft" und "Frontkameraden", so dass es sich erübrigt, hier noch einmal darüber zu schreiben. Die späteren Erlebnisse sind in meinem Buch "Nachher" nachzulesen, dass bis zum Jahr 1965 reicht. Auf dem obigen Bild stehe ich vor dem Birnbaum im kleinen Hof von Cracauen, als Urlauber 1917.

Meine Eltern konnten es sich dann nach dem Ersten Weltkrieg in Cracauen bequem machen. So wurde zunächst elektrisches Licht gelegt, in allen Zimmern konnte man endlich von der Türe aus durch Schalterdrehung Licht machen. Die Zeit der ständig gesuchten Streichhölzer zum Anzünden der Gaslampen war wobei. Dann kam noch die Zentralheizung. Im "Stübbchen" wurde der Heizkessel aufgestellt, und Heiz- rippen gab es in allen Zimmern des Erdgeschosses einschließlich des Saales. Nur oben blieb die Heizung durch Öfen bestehen. Die Eltern waren der Ansicht, dass in Schlafzimmern keine Heizung nötig sei. Mein mir im Feld zugezogener Rheumatismus war letzten Endes die Ursache, dass die Zentralheizung in Cracauen ihren Einzug hielt. Die Ärzte hielten das

Erinnerungen_an_Cracauen_86.jpg

nicht unterkellerte und daher besonders im Winter ständig feuchte Cracauen für den Hauptgrund, dass mein Rheuma im Jahre 1919 wieder so hartnäckig auftrat.

Erinnerungen_an_Cracauen_87.jpg

Wenn in diesem Kapitel die Zeit etwas hin und her springt, so bitte ich den Leser um Entschuldigung. Das kommt daher, weil ich die Bilder so ein Zeichner, wie mir die Fotos zur Verfügung standen. Die obige Aufnahme wurde etwa im Sommer 1907 gemacht, auf der Terrasse von Cracauen.

Erinnerungen_an_Cracauen_88.jpg

Ein Wort ergibt das andere" heißt es oft. Hier könnte man sagen: „ein Bild ergibt das andere!“ So konnte ich, als ich während der Entstehung dieses Buches einmal in Soest war, das Foto des obigen Bildes bekommen. Meine Cousinen Lotte und Elfriede Schramm waren in ihrer Jugend auch oft auf Cracauen. Und dafür wir oft in Rüdesheim bei Schramms, wo wir immer unvergessliche, herrliche Tage verlebten. So wie unser Vater Raimund mit seinem Vetter Wilhelm ihr ganzes Leben in Freundschaft verbunden war, so sind wir auch noch heute mit Lotte und Elfriede verbunden. Ihr Bruder Willi, der in Freiburg lebte, ist leider vor kurzem verstorben.


Die beiden Vettern Wilhelm und Raimund hatten, wenn sie nicht zusammen waren in Krefeld, Rüdesheim, in den Ferien in die Gernsbach und später in Freiburg, eine lebhafte Korrespondenz, die zumeist in Reimen geschrieben wurde. Leider sind die vielen Briefe im Bombenhagel des Zweiten Weltkrieges verbrannt.
Onkel „Wellm“ war über 1,90 m. Aber seine Frau, Tante Mathilde geborene Jung war sehr klein. Aber es war eine glückliche Ehe.

Die Eltern Wilhelms: Johann Wilhelm Schramm geboren 18.11.1815 gestorbenen 27.1.1867, verheiratet 26.8.1840 mit Charlotte Molenaar, geboren 27.3.1818 gestorben 30.9.1866, starben, als er gerade 10 Jahre alt war. So kam er nach Cracauen und wuchs mit Raimund zusammen dort auf. So entstand die Freundschaft der beiden Vettern. Er hatte die Absicht, später wie Raimund auch Färber zu werden, doch als er am 10.3.1888 Mathilde heiratete, wurde er Teilhaber seines Schwiegervaters Jung in dessen Firma Weingutbesitzer und Weinhändler Gebr. Jung in Rüdesheim.
Ein Schramm’sches Familienfest wurde Palmsonntag 1911 gefeiert, als der Sohn, Willi, der wie sein Vater Mennonit war, getauft wurde. Der Cracauer Saal gab einen würdigen Rahmen hierzu.